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Kristallstruktur

 
     
  Struktur, dreidimensional periodisches Baumuster kristallin geordneter kondensierter Materie. Sie ist durch die gitterhafte Wiederholung einer Baueinheit, der Elementarzelle, gekennzeichnet; die vollständige Symmetrie einer Kristallstruktur wird durch eine der 230 Raumgruppen beschrieben. Die Symmetrie erlaubt in Verbindung mit einigen metrischen und nullpunktsfixierenden Standardisierungsregeln die Wahl eines eindeutig bestimmten Parallelepipeds, der Elementarzelle, deren Kantenlängen alsGitterparameter (Gitterkonstanten) bezeichnet werden und die von jedem Satz translatorisch gleichwertiger Atome genau eines enthält. Die Atompositionen müssen nur für die Atome in dieser Elementarzelle bestimmt und angegeben werden, soweit sie nicht zueinander symmetrisch äquivalent sind (asymmetrische Einheit). Da die typischen interatomaren Abstände in der Grössenordnung von 10-10 m liegen, werden Kristallstrukturen durch Beugungsexperimente mit Röntgen-, Neutronen- und Elektronenstrahlen mit Wellenlängen dieser Grössenordnung bestimmt. Die exakte Beschreibung einer Kristallstruktur erfordert die folgenden Angaben: a) chemische Summen- oder Strukturformel, b) Raumgruppensymbol, c) Gitterparameter und d) Koordinaten der Atome in der asymmetrischen Einheit, bezogen auf die Basis der Kantenvektoren der standardisierten Elementarzelle. In dieser Form findet man Angaben über Kristallstrukturen in Publikationen, Sammelwerken und Datenbanken. Aus diesen Daten kann man alle kristallgeometrisch relevanten Grössen wie Abstände und Winkel, Koordinationspolyeder und beliebige Strukturprojektionen berechnen.


Schon in der Anfangszeit der strukturbestimmenden Kristallographie wurde beobachtet, dass chemisch ähnliche, aber auch sehr unterschiedliche Verbindungen gleiche oder ähnliche Kristallstrukturen besitzen können. Diese Beobachtung zusammen mit der grossen Datenmenge von über 100.000 heute bekannter Kristallstrukturen, die eine Katalogisierung des Datenmaterials verlangt, legte die Einführung des Begriffs Strukturtyp nahe. Unterschiedliche kristallgeometrische und chemische Ansätze führen dabei jedoch im Detail zu verschiedenen Strukturtypenbegriffen. Der erste Strukturtypenbegriff wurde im Strukturbericht, der seit 1923 als Ergänzungsband zur "Zeitschrift für Kristallographie" herausgegeben wurde, formuliert und besagt: Zwei Kristallstrukturen gehören zum gleichen Strukturtyp, wenn ihre Raumgruppen äquivalent sind und ihre besetzten Punktlagen übereinstimmen. Im Strukturbericht wurde daraufhin eine Strukturtypenbenennung eingeführt, die auch heute noch in der Literatur verbreitet ist; sie beruht auf einer Benennung von Verbindungsklassen und einer fortlaufenden Numerierung der zugehörigen Typen. Dabei ist A = Elementstrukturen, B =AB-Verbindungen, C=AB2-Verbindungen, D=AnBm-Verbindungen, E= Verbindungen mit mehr als zwei Atomsorten ohne ausgesprochene Komplexbildung, F = Verbindungen mit zwei- und dreiatomigen Radikalen, G=Verbindungen mit vieratomigen Radikalen, H=Verbindungen mit fünf- und mehratomigen Radikalen, L =Legierungen, M=Mischkristalle. So bezeichnet etwa A1 die Kupfer-Struktur (Abb.), B1 die Kochsalz-Struktur, C1 die Flussspat-Struktur. Der Strukturbericht wurde nach 1945 unter dem Namen "Structure Reports" fortgesetzt und bildet mit über fünfzig Bänden die umfassendste Sammlung von Strukturen in Buchform. Die oben beschriebene Strukturtypenbenennung wurde allerdings nicht fortgeführt und beschränkt sich daher auf die seit langem bekannten Grundstrukturen. Es zeigte sich ausserdem, dass die obige Definition dazu führte, dass die geometrisch sehr unterschiedlichen Strukturen von Pyrit (S2-Hanteln) und CO2


(CO2-Hanteln) zum gleichen Strukturtyp gerechnet werden mussten.


Im Bereich der elektronischen Medien werden Kristallstrukturen in verschiedenen Datenbanken gesammelt. Die wichtigsten sind a) das Cambridge Data File für organische Verbindungen, b) die Inorganic Crystal Structure Database (ICSD) für anorganische Verbindungen und c) das Metals Data File (METDF) vom National Research Council Canada; es enthält Daten von Metallen und Legierungen. Auch in diesen Datenbanken sind die Strukturen in der oben angegebenen Form gespeichert. Anspruchsvollere Strukturbeschreibungen versuchen eine Charakterisierung der Nahordnung und Fernordnung der Kristallstrukturen. Die Nahordnung wird durch Koordinationszahl (Anzahl der nächsten Nachbarn eines Atoms) und Koordinationspolyeder (Polyeder der nächsten Nachbarn) erfasst. Dabei ist zu beachten, dass zur Koordination Atome hinzugerechnet werden müssen, die nur wenig vom Minimalabstand abweichen. Sinnvolle Grenzen sind hier durch die Flächengrössen des Wirkungsbereichs oder durch das Prinzip der ersten grossen Lücke (Prinzip der grössten Lücke) in der Liste der Abstände festgelegt. Komplizierter ist die Erfassung der Fernordnung. Soweit sie aus der Nahordnung folgt, findet man die Bauverbände, indem man die Atompositionen als Punkte eines Graphen ansieht, dessen Kanten durch die Verbindungslinien der kürzesten Abstände (im oben diskutierten Sinn) gegeben sind, und die Zusammenhangskomponenten des Graphen betrachtet. Auf diese Weise kann man gitterhafte, netzartige, schichtartige, kettenhafte und inselhafte Bauverbände differenzieren und diese Bezeichnungen auch auf die Strukturen (z.B. Schichtstrukturen) übertragen. Eine genaue Beschreibung der Fernordnung ist durch die von E. Hellner eingeführte Nomenklatur der Punktlagen und Gitterkomplexe möglich. Sie beruht auf der Einführung von Buchstabensymbolen zunächst für die nonvarianten Punktlagen und ihrer Erweiterung durch Splitting-Symbole für parameterbehaftete Punktlagen.


Das Bedürfnis, das Auftreten bestimmter Kristallstrukturen auf der Basis geometrischer, physikalischer und chemischer Gesetze zu verstehen, hat insbesondere bei ionisch und metallisch gebundenen Atomen zum Auffinden von Regeln geführt, die auf Kugelpackungsmodellen (Kugelpackung) beruhen und von kugelförmigen Atomen und Ionen ausgehen, deren Radien man in geeigneten Tabellen findet. Die erste Regel dieses Typs ist die Hume-Rothery-Regel, die besagt, dass sich bei Legierungen Mischkristalle, d.h. Kristalle, in denen geometrisch äquivalente Plätze durch chemisch verwandte Atome gemischt besetzt werden, nur dann bilden können, wenn ihre Radien nicht mehr als 15% voneinander abweichen. Die Vegardsche Regel stellt fest, dass sich die Gitterparameter einer Mischkristallstruktur linear aus den Gitterparametern der reinen Strukturen zusammensetzt. Und schliesslich besagt die Radienquotientenregel, dass besonders bei ionischen Strukturen bestimmte Radienverhältnisse zum Auftreten spezieller Strukturen führen. So begünstigt im Fall einfacher AB-Verbindungen ein Radienquotient RA/RB zwischen 0,225 und 0,414 das Auftreten der Zinkblende-Struktur, zwischen 0,414 und 0,732 die Kochsalz-Struktur und zwischen 0,732 und 1,0 die Cäsiumchloridstruktur. Für intermetallische Phasen gelten entsprechende Regeln, die zur Definition der Laves-Phasen bei einem Radienverhältnis von √3/√2 führen.


In den letzten Jahren hat das Studium von vier- und höherdimensionalen Kristallstrukturen an Interesse gewonnen, da die Quasikristalle als Schnitte und Projektionen von Kristallstrukturen aus höherdimensionalen Räumen aufgefasst werden können. Eine Zwischenstellung zwischen Kristallen und aperiodischen Strukturen nehmen die partiell-kristallinen Strukturen ein. Das sind n-dimensionale Strukturen mit lediglich m( < n)-facher Periodizität. Die bekanntesten Beispiele für dreidimensionale partiell-kristalline Strukturen sind regellose Stapelungen von zweifach periodischen Schichten. Solche Stapelfehler treten zum Beispiel bei Kobalt auf. Kobalt kristallisiert sowohl in der kubisch als auch in der hexagonal dichtesten Kugelpackung und darüber hinaus in Strukturen, in denen sich Schichtfolgen beider Modifikationen unregelmässig abwechseln. Literatur: [1] Burzlaff, H. & Zimmermann, H. (1993): Kristallsymmetrie - Kristallstruktur. -Erlangen. [2] Vainshtein, B.K., Fridkin, V.M. & Indenbom, V.L. (1982): Modern Crystallography II. - Berlin.

KristallstrukturKristallstruktur: Beschreibung der Kristallstruktur des Kupfers. Die Symbole in der unteren Zeile des linken obersten Feldes sind das Pearson-Symbol und das Strukturtypensymbol des Strukturberichts. Die Raumgruppe ist durch die Ordnungsnummer in den International Tables, das Hermann-Mauguin-Symbol und das Schönflies-Symbol@ notiert. In der vierten Zeile steht eine Liste der besetzten Punktlagen sowie eine Angabe über die Nullpunktswahl. Die linke Abbildung zeigt eine kotierte Projektion, deren Höhenangaben die Vielfachen eines Bruchteils des Gittervektors in Projektionsrichtung bezeichnen. Die nachfolgenden Bilder liefern Koordinations- und Wirkungsbereichspolyeder (WB = Wirkungsbereich).
 
 

 

 

 
 
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