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geothermische Energiegewinnung

 
     
  Nutzung der in Form von Wärme gespeicherten Energie unterhalb der Erdoberfläche. In der Erde ist insgesamt eine Energie von 1031 J gespeichert, davon 4,3·1025 J in bis 3 km Tiefe und davon wiederum 3,6·1025 J mit T < 100°C. Von der gespeicherten Wärme kann nur ein geringer Teil tatsächlich genutzt werden. Man unterscheidet dabei zwischen Ressourcen und Reserven. Ressourcen sind der Teil des geothermischen Potentials, der einschliesslich der Reserven in der nahen Zukunft wirtschaftlich gewonnen werden kann. Als Reserven bezeichnet man den Teil, der bereits jetzt wirtschaftlich gewinnbar ist. Derzeit liegt die Grenze für eine wirtschaftliche Gewinnung bei 3000 m Tiefe. Eine Klassifikation der Vorkommen erfolgt auf Basis der Temperatur und der Art, in der das Medium die Wärme für die Nutzung an die Erdoberfläche verfügbar macht (Tab. 1).


Die in den oberflächennahen Bodenschichten gespeicherte Wärme ist praktisch an jeder Stelle verfügbar. Die Temperatur des Bodens ist jedoch zu niedrig, um direkt für die Raumheizung eingesetzt werden zu können. Mit Hilfe von erdgekoppelten Wärmepumpen wird daher die im Boden vorhandene Wärme unter Zufuhr von elektrischer Antriebsenergie auf ein für die Raumheizung nutzbares Temperaturniveau (40°C-50°C) "gepumpt". Neben dieser klassischen Nutzung können im Sommer die niedrigen Bodentemperaturen zur Raumkühlung eingesetzt werden. Darüber hinaus kann der Boden auch als saisonaler Energiespeicher für anfallende Überschusswärme im Sommer (z.B. Wärme aus solarthermischen Anlagen) verwandt werden. Das Prinzip der erdgekoppelten Wärmepumpe wurde erstmals 1945 in Indianapolis (USA) zum Heizen und Kühlen eines Wohnhauses eingesetzt. In Europa erfolgte der erste Einsatz einer erdgekoppelten Wärmepumpe unter Nutzung von Grundwasser um das Jahr 1970. Erdwärmesonden werden in Mitteleuropa seit 1980 eingesetzt. Die Kombination von Wärmeentzug, Kühlung und Energiespeicherung ist umweltschonend und wirtschaftlich. Der Einbau erdgekoppelter Wärmepumpen hat sich in den letzten Jahren auch in Deutschland positiv entwickelt (zur Zeit über 20.000 Anlagen). In den USA ist das System der "geothermal heat pumps" ein rasch wachsender Wirtschaftszweig, das Geothermal Heat Pump Consortium (von US-Bundesbehörden und Stromversorger gegründet) geht von der Installation von 140.000 Neuanlagen im Jahre 2000 aus.


Erdgekoppelte Wärmepumpen gibt es in verschiedenen Varianten: a) offene Systeme nutzen Grundwasser (Brunnen, Bohrungen), Oberflächenwasser (Seen, Teiche, Flüsse) oder Wasser, das aus Bergwerken oder Tunnelanlagen ausfliesst. b) in geschlossenen Kreislauf-Systemen nimmt eine durch Rohrleitungen gepumpte Wärmetauscherflüssigkeit (Sole, Kältemittel) in der Erde Wärme aus dem Boden auf und gibt diese über Wärmepumpen zur Raumheizung ab (Erdkollektoren oder Erdwärmesonden). Die Erdkollektoren werden im Boden in einer Tiefe von ca. 1,2-2 m verlegt. In dieser Tiefe führt in Mitteleuropa die jahreszeitliche Temperaturwelle zu starken saisonalen Temperaturschwankungen, welche die Effizienz dieser Anlagen beeinträchtigen. Bevorzugt werden hier daher vertikal 50-100 m tief in den Boden eingebrachte Erdwärmesonden. Die Wärmeentzugsleistungen schwanken, je nach Untergrundbedingungen, zwischen 40-80 W/m Wärmesonde. Heute gewinnen erdgekoppelte Wärmepumpensysteme, die Teile eines Baukörpers als Wärmetauscher nutzen, an Bedeutung. So können Gründungspfähle aus Beton mit Wärmetauschern bestückt werden.


Der Einsatz von erdgekoppelten Wärmepumpen erfolgt monovalent (nur auf der Basis der Erdwärme) oder bivalent (Einbindung in integrierte Heizungssysteme, z.B. Gas- oder Ölheizanlagen). Besonders grosse Anlagen sind ökologisch und ökonomisch effizient zur Raumklimatisierung (Heizung und Kühlung) genutzt, können aber auch bei der Sanierung von Altbauten und der Umstellung von Heizsystemen vorteilhaft eingesetzt werden. Bei dem Trend zur Niedrigenergiehausbauweise bieten erdgekoppelte Wärmepumpensysteme ideale Lösungen. In der Landwirtschaft und im Gemüseanbau kann die oberflächennahe Geothermie ebenfalls zur kostengünstigen Klimatisierung von Gewächshausanlagen oder Stallungen eingesetzt werden.


Die Möglichkeiten, dem Boden Wärme zu entziehen, werden durch die Eigenschaften des Untergrundes bestimmt. Günstig sind grundwasserführende grobe Sande und Kiese (strömendes Grundwasser führt Wärme advektiv an die Wärmesonden heran). Die Wirtschaftlichkeit erdgekoppelter Wärmepumpen wird mit deren Leistungszahl ausgedrückt (Verhältnis abgegebene Nutzwärme zu benötigter elektrischer Antriebsenergie). Die Leistungszahl muss einen Wert >3,0 aufweisen, um eine positive Energiebilanz zu erhalten. In Verbindung mit einer Niedertemperaturheizung können erdgekoppelte Wärmepumpenanlagen Leistungszahlen von 4,0 bis >5 erreichen, bei einer Kombination von Heizung und Kühlung sind Leistungszahlen von 15 bis 20 realisierbar. Damit führen erdgekoppelte Wärmepumpensysteme zu deutlichen ökologischen Effekten mit einer Einsparung an Primärenergie bis zu 40% und einer Verminderung von CO2-Emissionen bis zu 50% im Vergleich zu konventionellen Systemen. Der Einsatz erdgekoppelter Wärmepumpen ist auch im Vergleich zu anderen regenerativen Energien sehr günstig. Hydrothermale Geothermie nutzt das energetische Potential von natürlichen Dampf- und Heisswasservorkommen (T > 150°C). Die hochthermalen Systeme können für die elektrische Energieerzeugung eingesetzt werden. Ihr Auftreten ist an die tektonisch aktiven Gebiete der Erde gebunden, z.B. im zirkumpazifischen Gürtel (Neuseeland, Philippinen, Indonesien, Japan, westliches Nordamerika, Mittelamerika und westliches Südamerika), entlang des Mittelatlantischen Rückens (Island) und in der mediterranen Zone (Italien, Griechenland, Türkei). Die weltweit installierte elektrische Leistung aus geothermischen Kraftwerken betrug 1995 ca. 6800 MW (Tab. 2). In Europa finden sich hochthermale Lagerstätten nur in Italien (Lardarello), Island, Portugal (Azoren), Griechenland und in der Türkei.


Hydrogeothermische Systeme (Niedrigthermale Systeme, Low-Enthalpie-Systeme) mit Wassertemperaturen zwischen 20°C und 150°C treten verbreitet auf. Das warme Wasser kann i.d.R. direkt genutzt werden. Nur bei Wassertemperaturen unterhalb 40°C kann es notwendig werden, die Temperatur über Wärmepumpen anzuheben. Weltweit liegt die Nutzung hydrogeothermischer Systeme in der Grössenordnung von 15.000-20.000 MWh. Die grössten installierten Leistungen haben die USA, China und Island. In Europa (Abb. 1) sind hydrogeothermische Systeme v.a. für die Raumheizung, für Thermalbäder und für die Beheizung von Gewächshäusern in Nutzung.


Bevorzugte Speicher sind poröse Sandsteine, sowie klüftige Kalksteine, Evaporite (Anhydrit, Gips) und kristalline Gesteine (Granite, Gneise). Verbreitet treten hydrogeothermische Lagerstätten in Sedimentbecken auf. Ein typisches Beispiel ist das Pariser Becken: Von den hochliegenden Rändern des Beckens (z.B. Vogesen, Ardennen) fliesst das Wasser zum Beckenzentrum und nimmt dabei Wärme aus dem umgebenden Gestein auf. In Deutschland sind nur niedrigthermale Lagerstätten vorhanden. Die wichtigsten Gebiete sind das Norddeutsche Becken (einschliesslich Münsterländer Becken und Niederrheinischer Bucht), das Thüringer Becken, das Molassebecken (Voralpengebiet) und das Oberrheintal. Im Norddeutschen Becken ist das warme Wasser hochmineralisiert (Salzkonzentration bis über 300g/l), so dass das Wasser nach Durchlaufen eines Wärmetauschers wieder über eine Injektionsbohrung in die Entnahmeschicht zurückgebracht werden muss (Abb. 2). Demgegenüber kann das aus dem Molassebecken geförderte warme Wasser nach seiner Abkühlung auch als Trinkwasser verwendet werden.


Vom Los Alamos National Laboratory wurde 1970 das Konzept des sog. "Hot-Dry-Rock-Verfahrens" entwickelt, das die Wärmegewinnung aus heissen, trockenen Gesteinen ermöglicht. Dadurch kann das in der Tiefe verfügbare geothermische Energiepotential für die Stromerzeugung genutzt werden. Das Grundprinzip besteht darin, ein künstliches geothermisches System zu schaffen. Zwei Bohrungen werden in einem geringen Abstand voneinander abgeteuft und zwischen beiden Bohrungen wird künstlich eine hydraulische Verbindung hergestellt (Man-Made-Geothermal-Systems). Über diese hydraulische Verbindung nimmt kühles Wasser, das in eine der beiden Bohrungen eingepumpt wird, Wärme aus dem heissen Gestein auf. Über die zweite Bohrung wird das aufgeheizte Wasser an die Erdoberfläche transportiert und für die Stromerzeugung genutzt. In Fenton Hill bei Los Alamos wurde das System ab 1970 erstmals mit dem Ziel errichtet, die technische Durchführbarkeit nachzuweisen und bis 1999 zu zeigen, dass elektrische Energie über ein HDR-System mit Kosten von 5-8 C/kWh erzeugt werden kann. Zwei Bohrungen bis ca. 3000 m Tiefe (Gebirgstemperatur ca. 185°C) förderten 1979 (Abschluss der ersten Phase) Heisswasser mit 135-140°C an die Erdoberfläche. In einer zweiten Phase ab 1979 wurden zwei neue Bohrungen bis zu einer Tiefe von 4390 m abgeteuft. Die Gebirgstemperatur war hier 327°C. Zur Herstellung einer hydraulischen Verbindung zwischen den beiden Bohrungen wurden 1983 ca. 21.300 m3 Wasser mit 48 MPa in den Tiefenbereich 3529 m bis 3550 m eingepresst und das Gestein zwischen den beiden Bohrungen aufgebrochen. Damit war die prinzipielle Machbarkeit für ein HDR-System nachgewiesen. Auch in anderen Ländern wurde an HDR-Projekten gearbeitet. Die wichtigsten Projekte sind Hijori (Japan), Camborne (England) und Soultz (Frankreich, EU-Projekt). In Deutschland ist das HDR-Projekt bei Urach von Bedeutung.


Das Konzept von Los Alamos ging davon aus, dass die Gesteine in grösseren Tiefen dicht und trocken sind. Neue Untersuchungsergebnisse (z.B. Kontinentale Tiefbohrung in Deutschland, Projekt Soultz) haben gezeigt, dass auch in grossen Tiefen Fluide auftreten, die in offenen Kluftsystemen offensichtlich auch über grössere Entfernungen zirkulieren können. So bot es sich an, das Hot-Dry-Rock-Konzept zu erweitern und die vorhandenen tektonischen Bedingungen mit Kluft-, Störungs- und Verwerfungszonen sowie erhöhten Wegsamkeiten bewusst in Systeme zur Gewinnung geothermischer Energie einzubinden. Damit gelingt es, den Einzugsbereich für zirkulierende Fluide und für Wärmeaustauschvorgänge um mindestens zwei Zehnerpotenzen zu erhöhen: Während die Wärmeaustauschfläche in der ersten Phase des Los Alamos Projektes noch eine Grösse von ca. 8000 m2 hatte, erreichte die in den Wärmeaustausch einbezogene künstlich geschaffene und natürliche Rissfläche bei der Projektphase Soultz II eine Grösse von ca. 3.000.000 m2. Die Nutzung der im Gestein gespeicherten Energie gewinnt eine neue Dimension, man spricht auch von petrophysikalischen Systemen zur geothermischen Energiegewinnung. Derartige Systeme können unter Beachtung der geothermischen, tektonischen und hydrogeologischen Standortbedingungen ebenfalls verbreitet eingesetzt werden. EH Literatur: [1] DUCHANE, D.V. (1995): Hot Dry Rock Geothermal Development Program. Progress Report Fiscal Year 1993. - Los Alamos. [2] HAENEL, R. und STAROSTE, E. (Editors) (1988): Atlas of Geothermal Resources in the European Community, Austria and Switzerland. - Hannover.

geothermische Energiegewinnunggeothermische Energiegewinnung (Tab. 1): Klassifikation der Vorkommen aufgrund der Temperatur und der Art, in der das Medium die Wärme für die Nutzung an die Erdoberfläche verfügbar macht. Typ 1: Das Medium (Wasser, Dampf) steht in einem Speicherhorizont (geothermisches Reservoir) zur Verfügung und tritt in Bohrungen direkt an der Erdoberfläche aus (z.B. Dampf, artesisch gespanntes Wasser) oder wird nach oben gepumpt. Typ 2: die Wärme wird dem Gestein über eine Wärmetauscherflüssigkeit entzogen und nach oben transportiert (w = geothermische Energie kann nur mittels erdgekoppelter Wärmepumpen genutzt werden, b = direkte Nutzung der geothermischen Energie ist möglich).

geothermische Energiegewinnunggeothermische Energiegewinnung (Tab. 2): installierte elektrische Leistung in MW.

geothermische Energiegewinnunggeothermische Energiegewinnung 1: Nutzung geothermischer Energievorkommen in Europa.

geothermische Energiegewinnunggeothermische Energiegewinnung 2: Prinzip einer hydrogeothermischen Anlage mit Förder- und Reinjektionsbohrung.
 
 

 

 

 
 
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